Landesbehörden­zentrum

Schwerin

Wettbewerb, 1994

In Zusammenarbeit mit Peter Kaufmann

Kritik der Ausschreibung und die Voraussetzungen für ein Bürgerfreundliches Behördenzentrum

Das Ausschreibungsprogramm ist enorm, und die zur Verfügung stehende Grundstücksfläche daran gemessen eher klein und fast unzureichend, wenn auch in wunderschöner und zentraler Lage.

Und es muss die Frage erlaubt sein, warum bei dem hier anstehenden Nutzungswechsel für dieses alte Militärgelände erneut die Verfügungsinteressen des Staates dominieren, und nicht das Bedürfnis der Schweriner nach modernem neuen Wohnraum? Anstatt beispielsweise über den Weiterbau des Großen Dreesch zu diskutieren, wird hier eine sinnvolle Chance zur Entlastung der großen Neubaugebiete vertan.

Denn ein Behördenzentrum wäre auch an anderem Standort ebenso gut und vielleicht sogar besser denkbar…

Ideensammlung

Die Schaffung von gutgelegenen Eingangsbereichen zu allen Gebäuden des geplanten Behördenzentrums, zusammen mit einer deutlichen Ablesbarkeit und Unterscheidbarkeit derselben, steht im Mittelpunkt dieses Konzeptes. Noch wichtiger aber, wenn auch in diesem Zusammenhang gut lösbar, war der Wunsch nach möglichst viel Freiraum am Übergang vom Schlosspark zum Behördenquartier, dem „Hereinziehen“ des Grüns ins Zentrum des Geländes.

Zur Ermöglichung dieser  Freiräume und Bezüge werden konsequenterweise große Teile des Programms auf dem westlichen Geländeplateau platziert, um die „besten“ und zentralen Grundstücksbereiche für öffentliches Grün (z.B. Wiese für Spiel, Mittagspicknick und Verweilen) und Freiräume zu erobern. 

Der Dreh- und Angelpunkt zu allem ist eine in den verschiedenen jeweiligen Situationen angepasste Kommunikations- und Erschließungsachse, die diese Teile zusammenhält und miteinander verbindet. Daran angelagert befinden sich die einzelnen Nutzungen mit nach Osten hin kammartig versetzten Baukörpern und locker abgestuften Rändern, nach Westen hin mit Brückenverbindungen zur Kommunikationsachse.  Es entstehen interessante Binnenräume, die Baukörper stehen jeder für sich und zu den andern in einem freien Bezug; das Individuelle wird, im Kontrast zur Versammlung der verbleibenden Kasernenaltbauten, betont. Lediglich für das Gerichtsgebäude findet sich eine etwas herausgehobene Positionierung, die der Eigenständigkeit und Unabhängigkeit dieser Institutionen, auch gegenüber der im Schloss residierenden Landesregierung, entspricht.

Der Entwurf lebt von dem Gegenüber von Alt und Neu. Es entstehen die gesamte Nachbarschaft miteinbeziehende, gut dimensionierte und mit altem Baumbestand stark durchgrünte Außenräume, hinter die die Neubauten zurücktreten. Sie bilden sich eher um diese Bäume und Baumgruppen herum: Das allerorten ansonsten meist sichtbar schwächere Element-  die Natur-  bleibt im Vordergrund.

Eine kleine Überbrückung des schönen Fuß- und Fahrradweges, der sich aus der Innenstadt zum Behördenzentrum als beste und direkte Verbindung anbietet, wird für die Einmündung und Beendigung der Schlosspark Achse an der Johannes Stelling Str. vorgesehen. So endet diese wichtige Verbindung mit der Möglichkeit, auf der nach außen freigelegten und erweiterten Untergeschoßebene die Mecklenburgische Landesbibliothek zu betreten.

Wesentliche Magazine und Archive (z.B. der Staatsanwaltschaft) werden deutlich sichtbar abgebildet, um für sie schon durch die Architektur ein Stück Öffentlichkeitsbezug herzustellen.

Staatsanwaltschaft: Konstruktion und Form

Die Neubauteile der Staatsanwaltschaft bezeichnen in den Grundrissen zwei gestreckte, kompakte, durch Konstruktion und Materialien dann jedoch gleichermaßen leicht und bewegt wirkende Baukörper. Mauerwerkswände aus holländischem Betonstein (eventuell Treppenhäuser, Innenwände, Fassadenabschnitte), Sichtbeton- rundstützen hinter den Metallbaufassaden, sowie Stahlbetonflach-deckenkonstruktionen zwischen den Geschossen formen wesentliche Teile des Tragsystems. Die erforderliche Typisierung und das Konstruktionsraster bleiben jedoch für Brüche, die zu Kristallisationspunkten der Gestaltung werden, anpassungsfähig und ermöglichen auf diese Weise jeweils verändert ausgeprägte Bereiche.

Justizministerium und zentrales Parkdeck: Konstruktion und Form

Entscheidend ist die Überlegung, hier eine Lösung zu finden, die eine Rückbaubarkeit der 2. Parkdeckebene in weitere Büroflächen zulässt, wenn einmal der Bedarf nach Stellplätzen tatsächlich zurückgehen sollte. Dies ist dann schon heute eine gestalterische Fragestellung, die allerdings eine entsprechend vergrößerte Geschoßhöhe mit sich bringt. Der Entwurf dieses Baukörpers basiert auf der Konzeption einer Stahlbau- Konstruktion. Der dominierende, tragende Teil des Baukörpers besteht aus scherenartig gekreuzten Stahlstützen- Paaren auf Beton-Füßen. Die außenliegende sichtbare Stahlkonstruktion ist zur Gebäudeachse leicht geneigt und bildet mit den eingehängten Riegeln (Unterzügen) die Basis für die Stahlbetondecken. Das Gebäude soll trotz seiner Länge leicht und heiter wirken; durchlässig und luftig. Horizontale Linien stehen, neben der primären Stahlkonstruktion, deshalb auch hier im Vordergrund. Große Dachbereiche (der verbleibende 2. Bauabschnitt) werden extensiv begrünt und sind begehbar.

Oftmals ist aus wirtschaftlicher Sicht die Verwendung einer brandschutztechnisch geschützten Stahlkonstruktion gegenüber der aus Stahlbeton nicht konkurrenzfähig, was sich jedoch im hiesigen Falle der Stapelung von sehr unterschiedlichen Nutzungen (Parken+ Ministerium) mit ihren jeweils gänzlich anderen Raster- und Maß- Erfordernissen ins Gegenteil verkehrt, und zum großen Vorteil gerät. Auch sollten hier noch andere, und viel weiterreichende Überlegungen mitbedacht werden: Stahl ist der weitaus intelligentere Baustoff, ist später einmal leicht zu entsorgen (die gebaute Welt ist endlich; niemand baut für die Ewigkeit), und dann wieder verwendbar. Und erst einmal heute! Der Traum von Schwertern, die zu Pflugscharen werden, läßt sich für die Bürger der Stadt nicht prägnanter und an geeigneterem Standort in Realität umsetzen: Das Tragwerk der neuen Verwaltungs- Behörden auf altem Militärgelände war einmal Kriegsgerät von Bundeswehr und NVA…