„Neues Theater Höchst“

Sanierung & Modernisierung

Frankfurt am Main, Höchst

Rede des Architekten anlässlich der Theaterneueröffnung am 01.03.2007

Theater und Architektur; hier lassen sich Vergleiche anstellen, Gemeinsamkeiten auffinden zur jeweiligen Rolle innerhalb der Gesellschaft, in der Kunst. Aber auch große Unterschiede.
Beides wurde von den Beteiligten dieses Projektes in den letzten eineinhalb Jahren erfahren, wenn auch eher flüchtig und als hier und dort lediglich aufblitzender denn sich formulierender Gedanke. Die Umstände und das gemeinsame Ziel einer möglichst baldigen Wiedereröffnung standen sehr im Vordergrund. Umsomehr aber ist es dafür jetzt, da wir zusammen diesen guten Tag erreichten, angebracht und an der Zeit sich dies alles einmal ruhig und bedacht vor Augen zu führen und weiter darüber nachzudenken.

Indem ich hier drei essentielle Pole dieser Bauaufgabe beleuchte, ihre Voraussetzungen, die Ziele, sowie dann das vorgeschlagene und schließlich gebaute Konzept, soll dem weiter nachgegangen werden.

Gegeben

Ein Gebäude, seine lange und so vielseitige Geschichte, zuerst als Kolping- und Versammlungssaal der katholischen Handwerkerjugend im noch eher dörflich- kleinstädtischen Höchst, Großkino mit zum Luftschutzbunker ausgebautem Kellergeschoß während des Faschismus, nach dem Krieg zunächst erneut mit mehreren Kinosälen vollgepackt, dann erst „Neues Theater“, und auch das nun schon zum wiederholten Mal anders. Entsprechend viele Veränderungen, Umdekorationen nur, aber auch beträchtliche Umbauten und konstruktive Eingriffe gingen damit einher. Dankenswerterweise sind größere Teile dieser bewegten Baugeschichte als Dokumentationen vorhanden, sodaß eine planerische Annäherung an alle diese zeitlichen Schichten gut möglich war, mit punktuell unterstützenden Aufmaßen, vergleichend, und dann die Dinge natürlich auch bewertend.

Gefordert

Dringend notwendige, erhebliche Verbesserungen des Brandschutzes im Zusammengehen mit dem Einbau einer Rauch- und Wärmeabzugsanlage und einer Brandmeldeanlage bei gleichzeitigem Wunsch zur Erhaltung der teilweise noch vorhandenen, ursprünglichen Neobarock- Elemente im Saal (Decken- Profilierungen, Wand- Pilaster) bedeutete schwierige und kostenträchtige Eingriffe, vor allem im Dachraum über dem Theatersaal, ohne dabei allerdings die Gebäudesubstanz merklich zu stören. Die ebenfalls für das Raumklima im Saal aber auch im Foyer schon lange überfällige Lüftungsanlage, deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen mit mehr Platz- und Übersicht für die Theatertechnik durch den Einbau einer neuen Technik- Empore, sowie schließlich eine Erhöhung der Attraktivität des Hauses für den Zuschauer durch eine Vergrößerung des Foyers und der Verlagerung der Sanitärräumlichkeiten in die bisherigen Lagerkeller, und die Neubestuhlung des Saales und des Cafes formulierten eine interessante, aber fordernde Bauaufgabe.

Gebaut

Ein Ausloten der jeweiligen Pole, das Miteinander in spannungsreiche Beziehungen setzen von vorgefundenem Bestand aus so verschiedenen Epochen und geforderter Bauaufgabe im Finden neuer Raumlösungen- und formen, dies war viel mehr noch das Resultat des Bauablaufes als den einer anfänglich einmal „beschlossenen“ Planung. Die Baugeschichte des Hauses herauszuarbeiten, sie nicht nur mit allen ihren Brüchen zu belassen, sondern in Teilen sogar noch zu bestärken, um dann Neues und Verändertes davon in deutlichem Kontrast und mit unterschiedlichen gestalterischen Mitteln zu lösen, über diesen konzeptionellen Gedanken waren sich Theaterleute und Architekten rasch einig. Den Bogen zu spannen und durch diese Architektur Geschichten zu erzählen aber auch zu kommentieren, ähnlich wie es das Theater selbst ja auch immerzu tut in seinen Formen der Inszenierung, das war der anfängliche, gemeinsame Gedanke.

Die Verwirklichung des Konzeptes erforderte dann jedoch viel Geduld und die Bereitschaft für gegenseitiges Verständnis bei den Beteiligten und einer Entwicklung des Gedankens Zeit und Platz gebende Sicherheit, was beides erst gewonnen werden mußte. Denn ein solches Entwerfen auf- und mit der Baustelle, was sich nicht wie bei einem Neubauentwurf von vornherein eindeutig und endgültig aufzeichen läßt, sondern sich in vielen Details eher langsam und mit dem voranschreitenden Bauprozeß bewegt, diesen beeinflußt und wiederum von ihm verändert und ausgeformt wird, ist vor allem für den Bauherrn durchaus ein vergrößertes Risiko. Er hat diesen Weg mit der Zeit dann aber immermehr gesehen und zu seiner eigenen Sache gemacht, dabei mitgemacht. Das waren schöne Erlebnisse, und dafür bedanken wir Architekten uns herzlich.

Der Anfang des Roten Fadens für ein solches Entwerfen und Gestalten ganz nah und direkt am und mit dem vorgefundenen Material, dem unmittelbaren Gegenstand, begann tatsächlich im Keller, beim dortigen Aufmessen. Dem Auffinden der naiven Wandzeichnungen, die wohl entstanden, als jemand auf das Ende des Luftangriffes wartend sich die Zeit mit allerlei Phantasien vertrieb, den martialischen Schriftzügen des Luftschutz- Wartes auf den Luftschutzbunkerwänden dort unten, die mit Theaterutensilien zugestellt waren und allmählich zu uns zu sprechen begannen. So wie diese Theatersachen hier nur hereingestellt und gelagert worden waren wollten wir den Keller- Umbau machen. All die neueingezogenen, zusätzlichen Bunker- Stahlträger, die hierfür dazubetonierten Deckenverstärkungen, die Haptik der Flächen, ihre Farbgebungen, alles das war es doch wert,weiterhin sichtbar zu bleiben. Für die hier einzufügenden neuen Bauteile der beiden Sanitärbereiche für die Zuschauer bedeutete dies eine unbedingte Reduktion in Materialien, Formen und natürlich auch Farben bei gleichzeitiger Anwendung ausgefeilter, zurückhaltender, aber dieses Konzept dabei doch subtil stärkenden Beleuchtungsinstallation in den fensterlosen und eher niedrigen Kellerräumlichkeiten. Ohne eine einzige Fliese, deren Fugenschnitte in einem solchen Konzept undenkbar sind, dafür mit auf Hochglanz lackierten, vorgestellten Installationswänden, die auch eine linear durchgängige indirekte Beleuchtung bewerkstelligen, sowie der ebenfalls fugenfreie, dunkel beschichtete Fußboden bilden so den Hintergrund für die eigentlichen und in die Räume möbelartig hineingestellten, flächenbündigen Sanitärkabinen aus Multiplex- Birkenholz.

Den ursprüngliche Kolping- Saal, dessen Ausgewogenheit, zurückhaltende Schönheit, und vor allem guten Proportionen, kann man beim Betrachten seiner immer noch einen Maßstab gebenden Saaldecke erahnen , auch wenn sich der Raumeindruck seit dem Umbau von einem Kino zum Theater stark veränderte. Das sehr stimmige Konzept eines Festsaales bleibt dort, und zum Beispiel auch bei den hinter die Wandvorlagen des Saales kassettenartig zurückspringenden großen Wandflächen, die lediglich gereinigt und ansonsten völlig belassen wurden, ablesbar Sogar noch die Öffnungen der ursprünglichen Rundbogen- Oberlichtfenster zeichnen sich schemenhaft ab.

Alte und neue Wunden des jetzigen Umbaus, die etwa durch das Einfügen der Auflager der gleichsam leicht und frei im Saal „schwebenden“ Technikempore und beim Einbau der neuen Fluchttüre hinaus in den Hof auftraten,werden nicht kaschiert, sondern bleiben deutlich sichtbar. Gerade hier im Saal, schaut man nur ein bißchen genauer hin, spricht die früheste Geschichte des Hauses durch alle nachfolgenden Phasen hindurch, und interessante, ja vielleicht schwierige, aber doch auch wohltuende Gegensätze tun sich auf. Zum Beispiel bei der wie aus Papier gefalteten stählernen Treppe, die äußerst akkurat gefertigt und dann einfach nur in den Raum hineingestellt ist, sowie all dem vornehmen Blau der neuen Bestuhlung und den feierlichen, samtroten Theatervorhängen.

Anstelle eines ursprünglich geplanten großzügigen neuen Vordaches über dem Bürgersteig, daß auch als „Zeichen“ in den Straßenraum hinein wirken sollte, folgte die Ausgestaltung der Theater- Eingangszone und seiner Eingangsfassade durch das Auffinden und Freilegen eines zwar teilzerstörten, doch sehr imposanten Tuffstein- Bogenportals mit Jugendstilelementen dann plötzlich aber sehr zwangsläufig einem gänzlich anderen Plan. Und auch das Hinzufügen der wenigen neuen Farbakzente in den Wand- und Deckenoberflächen des Foyers geschah erst ganz zum Schluß.

Mit der Architektur beim Umbau des Neuen Theaters soll gezeigt werden, was heute ist und wo wir gerade stehen, daß die Moderne weiterlebt und sich ihr Projekt immer fortentwickelt, ohne dabei aber die Vergangenheit einfach wegzupacken; sie zu überstreichen. Nur durch ein solches Miteinander- in Beziehung setzen von Altem und Neuem kann unseres Erachtens zu einem angemessenen Umgang mit der vorgefundenen Baugeschichte im Kontext neuer und sich immer weiter verändernder Anforderungen gefunden werden.

Bauherr: Bund für Volksbildung Höchst e.V.
Architekt: Joachim Schwarzenberg, Architekt BDA
Beteiligte Mitarbeiter: Christine Wanitschek, Björn Trieschmann
Beteiligte Fachplaner / Ingenieure: Hans Benninghoven (Statik), Krauss+Brunnengräber (HL- Technik)